Was treibt Lannert und Bootz in die Carl-Hofer-Schule?
Sehr geehrter Herr Hauptkommissar Lannert,
Staatsanwaltschaft Stuttgart
bitte finden Sie sich am 04.03.2014 im Sitzungssaal 103
der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Adlerstr. 29, ein.
Vorladung zur Anhörung
So wird der Herr Kommissar die Zeilen in seinem Briefkasten vorgefunden haben. Doch jeder, der sich in Stuttgart auskennt – und viele Menschen können das heutzutage leicht von sich behaupten, denn Google-Streetview führt auch für Nichteinheimische den Beweis – weiß: In Stuttgart ist unter der Adresse Adlerstr. 29 ein Antiquitätenhandel zu finden. Vergeblich sucht der Kommissar an diesem Platz die Staatsanwaltschaft. Er findet seinen Kollegen Bootz aber trotzdem an der Tür der Adlerstr. 29 vor. Wie er das macht? Ganz einfach: Die Staatsanwaltschaft von Stuttgart ist eine Tatortkulisse, und als solche diente die Carl-Hofer-Schule, Adlerstr. 29 in Karlsruhe. Dort trifft der Kommissar nicht nur seinen Kollegen, sondern auch den Oberstaatsanwalt, die Vertreter der Gegenseite, Zeugen und jede Menge Bedienstete, die in der Staatsanwaltschaft arbeiten.
In der Faschingswoche sind bekanntlich Ferien, und da leiht sich der SWR für die Produktion seines 15. Tatorts aus Stuttgart die Carl-Hofer-Schule als idealen Drehort „Staatsanwaltschaft” aus. Das Schulgebäude feiert in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen. Der Baustil des Hauses ist großzügig und schwingt in seiner Ausstattung zwischen Neoklassizismus und Jugendstil hin und her. Die Flure sind lang, die Treppenaufgänge weitläufig und das Konferenzzimmer eine Augenweide. Hier musste die Filmcrew nur einen dunkleren Fußboden legen und die Möblierung den Bedürfnissen anpassen. So können die Schauspieler hier gut agieren. Die Kameraleute haben Platz und die nötige Tiefe im Bild. Das Beleuchterteam macht ordentlich Licht und Tontechniker finden Ruhe, um die Geschichte in Szene setzen zu können. 30 Komparsen füllen die langen Flure mit Leben. Im umgestalteten Sitzungssaal ringen 20 Schauspieler um die Wahrheit der filmischen Geschichte. Für alle ist die Carl-Hofer-Schule eine ganze Woche Schauplatz der Dreharbeiten.
Der SWR fährt mit einer ganzen Fahrzeugflotte in den Schulhof. Es sind zwei Kamerateams beteiligt, eine große Truppe von Spezialisten sorgen für das richtige Licht. Die Sonne scheint zwar, trotzdem kommt eine Scherenhebebühne zum Einsatz, die vom Lidellplatz aus die Szenen im ersten Obergeschoss der Schule beleuchten kann. Für mich, der sonst Unterricht in diesen Räumen hält bzw. plant, ist es spannend zu beobachten, wie die Szenen nummeriert sind. In den Aufzeichnungen der Produktions- und Drehleitung ist alles genau vermerkt. Kein Detail darf vergessen werden. Die Requisite muss stimmen, die Abfolge der Szenen ist beim Dreh nicht so, wie man sie im Film sieht; wehe, müsste man diese Maschinerie noch mal in Bewegung setzen, weil ein Teil der Geschichte nicht stimmig und deshalb nachzudrehen wäre.
Viele Szenen werden von links, dann von rechts und noch mal durch die Mitte gefilmt. Die Schauspieler müssen eine Szene in allen diesen Einstellungen mehrfach wiederholen. Mal ist es der Ton, wenn ein Krankenwagen mitten im ersten Take das Martinshorn erklingen lässt. Dann ist es das Licht, das nicht mit der Einstellung davor zusammenpasst. Oder ein Schauspieler hat den berühmten Hänger. Auf jeden Fall benötigen zwei bis drei Tatortminuten einen vollen Drehtag von 8 Uhr in der Frühe bis weit nach 20 Uhr. Alle müssen hochkonzentriert arbeiten, und dann wird das Eintreffen des Kommissars im Sitzungssaal garantiert im Ersten mitzuerleben sein.
Wir waren gern Gastgeber, ich persönlich war von der Abwechslung begeistert, auch und gerade weil ich in den Ferien unser Schulhaus noch mal ganz anders erleben durfte. Ich denke, auch der Herr Carl Hofer hätte Spaß daran gefunden …
St