Besuch aus Korea

Jul 2017

Leh­rer­aus­tausch mit Korea – Teil I

Auf dem Hin­ter­grund einer sich stän­dig wei­ter plu­ra­li­sie­ren­den und glo­ba­li­sie­ren­den Welt wer­den neue Wege benö­tigt um aktiv dar­auf zu reagie­ren um auch im Bil­dungs­be­reich an die­sen Pro­zes­sen teil­zu­ha­ben – um sich als Leh­rer wei­ter mit zu ent­wi­ckeln. Aus die­sem und wei­te­ren Grün­den speis­te sich mei­ne Moti­va­ti­on sich an die­sem Aus­tausch mit Süd­ko­rea zu beteiligen.

Span­nend war dar­über hin­aus über­dis­zi­pli­när mit Kol­le­gen ver­schie­dens­ter Stand­or­te in Aus­tausch zu gehen – zu sehen wie dort gelehrt wird, wel­che Schü­ler gibt es dort, wie wer­den ver­schie­dens­te Tech­no­lo­gien ver­mit­telt, mit wel­chen The­men beschäf­ti­gen sich die Kol­le­gen, wel­che regio­na­len Unter­schie­de gibt es usw. Bereits im Janu­ar 2017 waren zehn Leh­rer aus Korea an ver­schie­de­nen Schu­len aus unter­schied­li­chen Berei­chen wie Nah­rung, Elek­tro, Metall, Bau und Design zu Gast an beruf­li­chen Schu­len in ganz Baden-Württemberg.

Frau Soyang Son, Design­leh­re­rin an der Design High School in Seo­ul durf­te ich in Karls­ru­he als Part­ner­kol­le­gin an mei­ner Schu­le, der Carl-Hofer-Berufschu­le will­kom­men hei­ßen. Bei ihrem Besuch leg­te ich den Fokus dar­auf Ihr einen Ein­blick in die Viel­falt unse­res beruf­li­chen und all­ge­mei­nen Schul­sys­tems zu geben, die ver­schie­de­nen Arbeits­wei­sen, die cur­ri­cu­la­ren Struk­tu­ren des Lern­feld­un­ter­richts auf­zu­zei­gen und Ein­bli­cke in den gene­rel­len Schul­ab­lauf und den Aus­tausch mit den Betrie­ben zu geben.

Über den Ein­blick und die Mit­ar­beit in der Druck- und Medi­en­ab­tei­lung, Gestal­tungs-unter­rich­ten, Dis­kus­sio­nen und Aus­tausch mit den Gestal­tungs­schü­lern war es mög­lich durch das Enga­ge­ment mei­ner Kol­le­gen die Viel­falt der Carl-Hofer-Schu­le auf­zu­zei­gen. So gab es inten­si­ven Kon­takt zu einer Flücht­lings­klas­se, zu den Raum­aus­stat­tern und Pols­te­rer. Eben­so wur­den Hos­pi­ta­tio­nen in den ver­schie­de­nen Jahr­gän­gen des Beruf­kol­legs Gra­fik­de­sign ermög­licht – einer Voll­zeit-Schul­art die dem Unter­richts­sys­tem an der Design High­school in Seo­ul sehr ähn­lich ist. Um den Wer­de­gang unse­rer Berufs­chü­ler inner­halb des Schul­sys­tems auf­zu­zei­gen stell­te ich den Kon­takt zur Karls­ru­her Süd­end-Grund­schu­le her und zu ein paar Gym­na­si­as­ten benach­bar­ter Schu­len. Sowohl mei­ner korea­ni­schen Kol­le­gin, als auch mir wur­de jeweils mit gro­ßer Offen­heit und Aus­kunfts­be­reit­schaft begeg­net. Das Inter­es­se an Aus­tausch und dem Her­aus­fin­den von Gemein­sam­kei­ten war sehr groß. Die gewon­ne­nen Erkennt­nis­se im Aus­tausch mit mei­ner korea­ni­schen Kol­le­gin mün­de­ten in eine sehr ähn­li­che Wahr­neh­mung von Unter­richt, Anfor­de­run­gen an Schü­ler und Lehr­per­so­nal – je kla­rer der Rah­men für Schü­ler und Leh­rer umso mehr Frei­raum ergibt sich neue Erkennt­nis­se zu schaf­fen um spie­le­risch mit der Wis­sens­ver­mitt­lung umzu­ge­hen. Dies zeig­te sich eben­so bei einem spon­ta­nen Kal­li­gra­phie-Mal­work­shop mit Kita-Kin­dern, den Frau Son und ich an einem Nach­mit­tag an der Schu­le veranstalteten.

Mei­ne Gast­kol­le­gin Frau Son war sehr begeis­tert von der beson­de­ren Bezie­hung zwi­schen den Lehrern/Ausbildern und den Schü­lern die sie sowohl an unse­rer Schu­le als auch allen ande­ren insti­tu­tio­nel­len Besu­chen beob­ach­ten konn­te – Eine Bezie­hung, die aus ihrer Sicht zwar mit Dis­zi­plin, aber sehr viel Wert­schät­zung geprägt sei und stets der Lern­pro­zess der Schü­ler im Fokus stün­de. Mit ihrem sehr posi­ti­ven Feed­back bestä­tig­te Frau Son in vie­ler­lei Hin­sicht die an der Carl-Hofer-Schu­le, aber auch gene­rell bestehen­de Arbeits­wei­se in unse­rem Schulsystem.

Gegen­be­such in Korea

Leh­rer­aus­tausch mit Korea – Teil II

Nach drei Wochen Besuch in Karls­ru­he ging es dann Ende März zum Gegen­be­such nach Seo­ul Süd­ko­rea. Das APCEIU (Asi­en-Paci­fic Cent­re of Edu­ca­ti­on vor Inter­na­tio­nal Under­stan­ding), das für die Umset­zung des Leh­rer­aus­tauschs zustän­dig ist, haben mir sowie den ande­ren neun Leh­rer­kol­le­gen einen herz­li­chen Emp­fang berei­tet und den pro­gram­ma­ti­schen Rah­men unse­res Auf­ent­halts dort geschaf­fen. So wie unse­re Gäs­te in Baden-Würt­tem­berg einen weit­rei­chen­den Ein­blick in die kul­tu­rel­len Fein­hei­ten erhal­ten haben wur­den wir über­häuft mit neu­en Ein­drü­cken, dem Essen, Bräu­chen, Besu­chen von Kult­stät­ten sowie den neu­es­ten High­tech­pro­duk­ten der korea­ni­schen Unterhaltungsindustrie.

Der Ein­blick in das Schul­le­ben der Part­ner­schu­le, der Design High School in Seo­ul zeig­te nur bedingt gro­ße Unter­schie­de. Die Schü­ler tra­gen zwar alle Schul­uni­for­men, Leh­rer wie auch Schü­ler ver­nei­gen sich vor­ein­an­der und der gene­rel­le Umgangs­ton ist eben­falls sehr wert­schät­zend. Mit gro­ßer Rück­sicht wur­de sogar mit Zu-Spät-Kom­mern oder schla­fen­den Schü­lern wäh­rend dem Unter­richt umge­gan­gen. Die meis­ten Leh­rer, die ich beob­ach­ten konn­te waren sehr unter­stüt­zend bei Fra­gen der Schü­ler oder gaben not­wen­di­ge Hil­fe­stel­lun­gen wäh­rend des Unter­richts. Pro­jekt­un­ter­richt und Schü­ler­ori­en­tie­rung waren als Unter­richts­form ähn­lich wie bei uns anzu­tref­fen. Sicher­lich eine Erkennt­nis die bereits John Hat­tie in sei­ner Bil­dungs­me­ta­stu­die mach­te: Ent­schei­dend ist die Leh­rer-per­sön­lich­keit die vor­ne steht ent­schei­det über das Gelin­gen des Lernprozess.

Ein wesent­li­cher Unter­schied, der an der korea­ni­schen Part­ner-Schu­le zu spü­ren war, ist sicher­lich die allei­ni­ge schu­li­sche Aus­bil­dung, das nicht so aus­ge­präg­te Aus­rich­tung auf die Arbeits­welt und einen spä­te­ren Arbeits­platz. Daher haben die Kol­le­gen dort, die Schul­lei­tung und die Schü­ler gro­ßes Inter­es­se an unse­rem in Deutsch­land selbst­ver­ständ­li­chen Dua­len Aus­bil­dungs­sys­tem gezeigt. Das Enga­ge­ment der Arbeit­ge­ber in Korea ist nicht beson­ders groß Jugend­li­che betrieb­lich aus­zu­bil­den. Die­se Erkennt­nis ist sicher­lich auch eine gro­ße Chan­ce bei uns mit allen Kräf­ten am Erhalt und Aus­bau der dua­len Struk­tu­ren zwi­schen Schu­le und Arbeits­welt zu arbei­ten und uns immer wie­der die­se Beson­der­heit unse­res Aus­bil­dungs­sys­tem ins Bewusst­sein zu rücken.

Durch die­ses Aus­tausch­pro­gramm durf­te ich die wun­der­ba­re Erfah­rung machen – an mei­ner Part­ner­schu­le zu unter­rich­ten und in den direk­ten Aus­tausch mit den Schü­lern zu gehen, sowie fach­lich, päd­ago­gisch, mensch­lich und kul­tu­rell. Die dar­aus her­vor­ge­hen­den Erkennt­nis­se las­sen sich nur schwer in Wor­te fas­sen: Ein wesent­li­cher Punkt ist sicher­lich die fach­li­che Ebe­ne der „visu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on“, die es ermög­lich­te über Gren­zen und kul­tu­rel­le, sprach­li­che Bar­rie­ren hin­weg mit mei­ner korea­ni­schen Kol­le­gin im Team zu unter­rich­ten und ein klei­nes gemein­sa­mes Gestal­tungs­pro­jekt zu star­ten, bei dem als Pro­dukt eine klei­ne gebun­de­ne Aus­ga­be einer Samm­lung von Schü­ler­ar­bei­ten ent­stand. Sowohl zwi­schen den Schü­lern als auch zwi­schen Frau Son und mir har­mo­ni­sier­te die Zusam­men­ar­beit als wäre ich Zuhau­se an der Carl-Hofer-Schu­le in Karlsruhe.

Blick in die Zukunft

Leh­rer­aus­tausch mit Korea – Teil III

Dies ver­an­lass­te die korea­ni­sche Kol­le­gin und mich die Idee ins Leben zu rufen im Herbst 2017 ein ers­tes gemein­sa­mes Design-Pro­jekt per Video­kon­fe­renz zu star­ten. Im Moment lau­fen hier die Vor­be­rei­tun­gen und Über­le­gun­gen zum Inhalt, die tech­ni­schen Hür­den zu neh­men und die orga­ni­sa­to­ri­schen Belan­ge zu klären.

In logi­scher Kon­se­quenz folgt aus die­sem sehr gelun­ge­nen Leh­rer­aus­tausch die Moti­va­ti­on einen Aus­tausch für Schü­ler zwi­schen der Design High­school Seo­ul und der Carl-Hofer-Schu­le Karls­ru­he zu initi­ie­ren. Im Beson­de­ren könn­te ich mir hier sogar vor­stel­len, dass korea­ni­sche Schü­ler am Berufschul­all­tag mit Aus­bil­dungs­be­trieb teil­neh­men. Sicher­lich bedarf es hier einer grö­ße­ren Vor­lauf­zeit, da Eltern, Betrie­be und Schu­le invol­viert wären.

Die nächs­te, kom­men­de Gene­ra­ti­on mit­zu­neh­men auf den Weg zu einer sich ver­än­dern­den glo­ba­li­sie­ren­den Welt hal­te ich für eine der wich­tigs­ten Inves­ti­tio­nen in eine fried­vol­le und inno­va­ti­ve Zukunft. Der Blick über den Tel­ler­rand bedeu­tet noch lan­ge nicht das Abwan­dern von kom­pe­ten­ten jun­gen Talen­ten, son­dern könn­te eher dafür sor­gen, dass sich Per­spek­ti­ven ver­än­dern und eine neue Form der Wert­schät­zung der Errun­gen­schaf­ten des eige­nen Lan­des ent­steht – und ein neu­es Bewusst­sein her­vor­ruft dort zu inno­vie­ren und zu wach­sen wo die eige­nen Wur­zeln ihren Ursprung haben.

Fazit

Abschlies­send las­sen sich nach die­sem Aus­tausch sicher­lich meh­re­re wesent­li­che Din­ge her­aus­stel­len. Das eine, das klar zu erken­nen war, dass Ler­nen über­all auf der Welt in ähn­li­cher Form statt­fin­det und es Bestre­bun­gen gibt die Bil­dung immer wei­ter auf die Bedürf­nis­se der Men­schen in den ent­spre­chen­den Län­der aus­zu­rich­ten. Es wird jedoch auch ein neu­es Ver­ständ­nis benö­tigt, da die glo­ba­li­sier­te Welt unser Ler­nen ver­än­dern wird und immer mehr glo­ba­le Aspek­te das kul­tu­rel­le Leben sowie die Arbeits­welt welt­weit beein­flus­sen wer­den. Daher geht es viel­mehr um ein Neh­men und Geben und ein stän­di­ges Bewusst-Wer­den über die eige­nen Wer­te und Fähig­kei­ten. Mit die­ser Erkennt­nis im Aus­tausch mit andern Län­dern, Staa­ten, Kul­tu­ren bie­tet dies gro­ße Chan­cen ein völ­lig neu­es Ver­ständ­nis für die Glo­ba­li­sie­rung zu erhal­ten ohne das eige­ne auf­zu­ge­ben. Daher kann ich nur jeden Kol­le­gen dazu ermun­tern die Mög­lich­keit zu einem sol­chen Aus­tausch zu ergrei­fen und die jun­ge Gene­ra­ti­on im Aus­tausch mit ande­ren Natio­nen zu unterstützen.


Wesent­li­che Erkennt­nis­se aus dem Austausch:

  • Aus­bil­dung hat gerin­gen Bezug zum Arbeitsmarkt
  • Abschluss­prü­fun­gen: Prak­ti­sche Antei­le wer­den deut­lich stär­ker bewer­tet (bis zu 70%) als die theo­re­ti­schen Bestandteile.
  • sehr wert­schät­zen­der Umgang zwi­schen Schü­lern und Leh­rern und untereinander
  • Schü­ler hal­ten das Schul­haus sau­ber (Auf­räu­men, Müll­ei­mer lee­ren selbstverständlich).
  • Leis­tungs­druck durch gesell­schaft­li­che Ansprü­che sehr hoch
  • gro­ßer emo­tio­na­ler Stau wegen gro­ßer Rück­sicht der ande­ren gegenüber
  • gro­ßer Natio­nal­stolz (Kul­tur­be­wusst­sein) – bedeu­tet ein hohes Maß an Gast­freund­lich­keit – es wird mit Lust und Freu­de die eige­ne Kul­tur präsentiert
  • gro­ßes Inter­es­se am Aus­tausch von Wis­sen, Kön­nen, Denk­wei­sen, Hal­tun­gen etc.
  • Bewusst­sein stär­ken unse­res Dua­len Sys­tems (Mar­ke­ting Kampagne)

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