Lehreraustausch mit Korea – Teil I
Auf dem Hintergrund einer sich ständig weiter pluralisierenden und globalisierenden Welt werden neue Wege benötigt um aktiv darauf zu reagieren um auch im Bildungsbereich an diesen Prozessen teilzuhaben – um sich als Lehrer weiter mit zu entwickeln. Aus diesem und weiteren Gründen speiste sich meine Motivation sich an diesem Austausch mit Südkorea zu beteiligen.
Spannend war darüber hinaus überdisziplinär mit Kollegen verschiedenster Standorte in Austausch zu gehen – zu sehen wie dort gelehrt wird, welche Schüler gibt es dort, wie werden verschiedenste Technologien vermittelt, mit welchen Themen beschäftigen sich die Kollegen, welche regionalen Unterschiede gibt es usw. Bereits im Januar 2017 waren zehn Lehrer aus Korea an verschiedenen Schulen aus unterschiedlichen Bereichen wie Nahrung, Elektro, Metall, Bau und Design zu Gast an beruflichen Schulen in ganz Baden-Württemberg.
Frau Soyang Son, Designlehrerin an der Design High School in Seoul durfte ich in Karlsruhe als Partnerkollegin an meiner Schule, der Carl-Hofer-Berufschule willkommen heißen. Bei ihrem Besuch legte ich den Fokus darauf Ihr einen Einblick in die Vielfalt unseres beruflichen und allgemeinen Schulsystems zu geben, die verschiedenen Arbeitsweisen, die curricularen Strukturen des Lernfeldunterrichts aufzuzeigen und Einblicke in den generellen Schulablauf und den Austausch mit den Betrieben zu geben.
Über den Einblick und die Mitarbeit in der Druck- und Medienabteilung, Gestaltungs-unterrichten, Diskussionen und Austausch mit den Gestaltungsschülern war es möglich durch das Engagement meiner Kollegen die Vielfalt der Carl-Hofer-Schule aufzuzeigen. So gab es intensiven Kontakt zu einer Flüchtlingsklasse, zu den Raumausstattern und Polsterer. Ebenso wurden Hospitationen in den verschiedenen Jahrgängen des Berufkollegs Grafikdesign ermöglicht – einer Vollzeit-Schulart die dem Unterrichtssystem an der Design Highschool in Seoul sehr ähnlich ist. Um den Werdegang unserer Berufschüler innerhalb des Schulsystems aufzuzeigen stellte ich den Kontakt zur Karlsruher Südend-Grundschule her und zu ein paar Gymnasiasten benachbarter Schulen. Sowohl meiner koreanischen Kollegin, als auch mir wurde jeweils mit großer Offenheit und Auskunftsbereitschaft begegnet. Das Interesse an Austausch und dem Herausfinden von Gemeinsamkeiten war sehr groß. Die gewonnenen Erkenntnisse im Austausch mit meiner koreanischen Kollegin mündeten in eine sehr ähnliche Wahrnehmung von Unterricht, Anforderungen an Schüler und Lehrpersonal – je klarer der Rahmen für Schüler und Lehrer umso mehr Freiraum ergibt sich neue Erkenntnisse zu schaffen um spielerisch mit der Wissensvermittlung umzugehen. Dies zeigte sich ebenso bei einem spontanen Kalligraphie-Malworkshop mit Kita-Kindern, den Frau Son und ich an einem Nachmittag an der Schule veranstalteten.
Meine Gastkollegin Frau Son war sehr begeistert von der besonderen Beziehung zwischen den Lehrern/Ausbildern und den Schülern die sie sowohl an unserer Schule als auch allen anderen institutionellen Besuchen beobachten konnte – Eine Beziehung, die aus ihrer Sicht zwar mit Disziplin, aber sehr viel Wertschätzung geprägt sei und stets der Lernprozess der Schüler im Fokus stünde. Mit ihrem sehr positiven Feedback bestätigte Frau Son in vielerlei Hinsicht die an der Carl-Hofer-Schule, aber auch generell bestehende Arbeitsweise in unserem Schulsystem.
Gegenbesuch in Korea
Lehreraustausch mit Korea – Teil II
Nach drei Wochen Besuch in Karlsruhe ging es dann Ende März zum Gegenbesuch nach Seoul Südkorea. Das APCEIU (Asien-Pacific Centre of Education vor International Understanding), das für die Umsetzung des Lehreraustauschs zuständig ist, haben mir sowie den anderen neun Lehrerkollegen einen herzlichen Empfang bereitet und den programmatischen Rahmen unseres Aufenthalts dort geschaffen. So wie unsere Gäste in Baden-Württemberg einen weitreichenden Einblick in die kulturellen Feinheiten erhalten haben wurden wir überhäuft mit neuen Eindrücken, dem Essen, Bräuchen, Besuchen von Kultstätten sowie den neuesten Hightechprodukten der koreanischen Unterhaltungsindustrie.
Der Einblick in das Schulleben der Partnerschule, der Design High School in Seoul zeigte nur bedingt große Unterschiede. Die Schüler tragen zwar alle Schuluniformen, Lehrer wie auch Schüler verneigen sich voreinander und der generelle Umgangston ist ebenfalls sehr wertschätzend. Mit großer Rücksicht wurde sogar mit Zu-Spät-Kommern oder schlafenden Schülern während dem Unterricht umgegangen. Die meisten Lehrer, die ich beobachten konnte waren sehr unterstützend bei Fragen der Schüler oder gaben notwendige Hilfestellungen während des Unterrichts. Projektunterricht und Schülerorientierung waren als Unterrichtsform ähnlich wie bei uns anzutreffen. Sicherlich eine Erkenntnis die bereits John Hattie in seiner Bildungsmetastudie machte: Entscheidend ist die Lehrer-persönlichkeit die vorne steht entscheidet über das Gelingen des Lernprozess.
Ein wesentlicher Unterschied, der an der koreanischen Partner-Schule zu spüren war, ist sicherlich die alleinige schulische Ausbildung, das nicht so ausgeprägte Ausrichtung auf die Arbeitswelt und einen späteren Arbeitsplatz. Daher haben die Kollegen dort, die Schulleitung und die Schüler großes Interesse an unserem in Deutschland selbstverständlichen Dualen Ausbildungssystem gezeigt. Das Engagement der Arbeitgeber in Korea ist nicht besonders groß Jugendliche betrieblich auszubilden. Diese Erkenntnis ist sicherlich auch eine große Chance bei uns mit allen Kräften am Erhalt und Ausbau der dualen Strukturen zwischen Schule und Arbeitswelt zu arbeiten und uns immer wieder diese Besonderheit unseres Ausbildungssystem ins Bewusstsein zu rücken.
Durch dieses Austauschprogramm durfte ich die wunderbare Erfahrung machen – an meiner Partnerschule zu unterrichten und in den direkten Austausch mit den Schülern zu gehen, sowie fachlich, pädagogisch, menschlich und kulturell. Die daraus hervorgehenden Erkenntnisse lassen sich nur schwer in Worte fassen: Ein wesentlicher Punkt ist sicherlich die fachliche Ebene der „visuellen Kommunikation“, die es ermöglichte über Grenzen und kulturelle, sprachliche Barrieren hinweg mit meiner koreanischen Kollegin im Team zu unterrichten und ein kleines gemeinsames Gestaltungsprojekt zu starten, bei dem als Produkt eine kleine gebundene Ausgabe einer Sammlung von Schülerarbeiten entstand. Sowohl zwischen den Schülern als auch zwischen Frau Son und mir harmonisierte die Zusammenarbeit als wäre ich Zuhause an der Carl-Hofer-Schule in Karlsruhe.
Blick in die Zukunft
Lehreraustausch mit Korea – Teil III
Dies veranlasste die koreanische Kollegin und mich die Idee ins Leben zu rufen im Herbst 2017 ein erstes gemeinsames Design-Projekt per Videokonferenz zu starten. Im Moment laufen hier die Vorbereitungen und Überlegungen zum Inhalt, die technischen Hürden zu nehmen und die organisatorischen Belange zu klären.
In logischer Konsequenz folgt aus diesem sehr gelungenen Lehreraustausch die Motivation einen Austausch für Schüler zwischen der Design Highschool Seoul und der Carl-Hofer-Schule Karlsruhe zu initiieren. Im Besonderen könnte ich mir hier sogar vorstellen, dass koreanische Schüler am Berufschulalltag mit Ausbildungsbetrieb teilnehmen. Sicherlich bedarf es hier einer größeren Vorlaufzeit, da Eltern, Betriebe und Schule involviert wären.
Die nächste, kommende Generation mitzunehmen auf den Weg zu einer sich verändernden globalisierenden Welt halte ich für eine der wichtigsten Investitionen in eine friedvolle und innovative Zukunft. Der Blick über den Tellerrand bedeutet noch lange nicht das Abwandern von kompetenten jungen Talenten, sondern könnte eher dafür sorgen, dass sich Perspektiven verändern und eine neue Form der Wertschätzung der Errungenschaften des eigenen Landes entsteht – und ein neues Bewusstsein hervorruft dort zu innovieren und zu wachsen wo die eigenen Wurzeln ihren Ursprung haben.
Fazit
Abschliessend lassen sich nach diesem Austausch sicherlich mehrere wesentliche Dinge herausstellen. Das eine, das klar zu erkennen war, dass Lernen überall auf der Welt in ähnlicher Form stattfindet und es Bestrebungen gibt die Bildung immer weiter auf die Bedürfnisse der Menschen in den entsprechenden Länder auszurichten. Es wird jedoch auch ein neues Verständnis benötigt, da die globalisierte Welt unser Lernen verändern wird und immer mehr globale Aspekte das kulturelle Leben sowie die Arbeitswelt weltweit beeinflussen werden. Daher geht es vielmehr um ein Nehmen und Geben und ein ständiges Bewusst-Werden über die eigenen Werte und Fähigkeiten. Mit dieser Erkenntnis im Austausch mit andern Ländern, Staaten, Kulturen bietet dies große Chancen ein völlig neues Verständnis für die Globalisierung zu erhalten ohne das eigene aufzugeben. Daher kann ich nur jeden Kollegen dazu ermuntern die Möglichkeit zu einem solchen Austausch zu ergreifen und die junge Generation im Austausch mit anderen Nationen zu unterstützen.
Wesentliche Erkenntnisse aus dem Austausch:
- Ausbildung hat geringen Bezug zum Arbeitsmarkt
- Abschlussprüfungen: Praktische Anteile werden deutlich stärker bewertet (bis zu 70%) als die theoretischen Bestandteile.
- sehr wertschätzender Umgang zwischen Schülern und Lehrern und untereinander
- Schüler halten das Schulhaus sauber (Aufräumen, Mülleimer leeren selbstverständlich).
- Leistungsdruck durch gesellschaftliche Ansprüche sehr hoch
- großer emotionaler Stau wegen großer Rücksicht der anderen gegenüber
- großer Nationalstolz (Kulturbewusstsein) – bedeutet ein hohes Maß an Gastfreundlichkeit – es wird mit Lust und Freude die eigene Kultur präsentiert
- großes Interesse am Austausch von Wissen, Können, Denkweisen, Haltungen etc.
- Bewusstsein stärken unseres Dualen Systems (Marketing Kampagne)
Lo | Fotos diverse