Ber­lin, 20 Jah­re nach dem Mauerfall

Okt 2009

Tri­na­tio­na­ler Aus­tausch mit Gobe­lins, Paris,
und der Rerich-Kunst­fach­schu­le, St. Petersburg

Ber­lin 2009 

Ber­lin übt in den letz­ten Jah­ren auf jun­ge Leu­te aus dem In- und Aus­land eine magi­sche Anzie­hungs­kraft aus.

Auf die Fra­ge nach dem War­um, höre ich allent­hal­ben erstaunt: Ber­lin ist in! Ber­lin ist cool! Ber­lin ist megageil!

Natür­lich übte das Ber­lin der spä­ten 1960er und der 1970er Jah­re auch auf mei­ne Gene­ra­ti­on eine gewis­se Magie aus. Als Stu­dent an der Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te, heu­te UdK, konn­te ich davon ein rotes Lied­chen singen.

Ber­lin war damals die Stadt des lang­haa­ri­gen Auf­be­geh­rens gegen das Estab­lish­ment und die ver­mo­der­ten Moral­vor­stel­lun­gen einer Gene­ra­ti­on, die ihr Heil in zwei Ver­nich­tungs­krie­gen suchte.

Aber Ber­lin war auch die Stadt, die kei­ne nächt­li­che Poli­zei­stun­de kann­te, die 24 Stun­den geöff­net hat­te. Ber­lin konn­te einem west­deut­schen Pro­vinz­ler wie mir sogar den Dienst an der Waf­fe erspa­ren. Ber­lin bot dar­über hin­aus auch noch die zwei­fel­haf­te Sicher­heit eines anti­fa­schis­ti­schen Schutz­wal­les, der den ego­is­ti­schen Vor­teil hat­te, zumin­dest die Kon­troll­be­su­che besorg­ter Eltern aus dem Wes­ten stark einzuschränken.

Aber heu­te, wo dies alles kaum noch eine wirk­li­che Bedeu­tung für einen jun­gen Men­schen hat, muss es doch etwas ande­res sein, was eine Fas­zi­na­ti­on für aus­ge­rech­net die­se Groß­stadt ausübt!

Viel­leicht ist es das unver­hoff­te „Auf­er­stan­den aus Rui­nen Und der Zukunft zuge­wandt”, das der DDR-Hym­ne im Nach­hin­ein, zumin­dest zei­len­wei­se, eine gar sehe­ri­sche Qua­li­tät verleiht.

Viel­leicht ist es das gelun­ge­ne Neben­ein­an­der aus groß­manns­süch­ti­ger Super­mo­der­ne mit Welt­stadt­flair und sub­kul­tu­rel­len, alter­na­ti­ven Lebens­for­men im stil­voll bewahr­ten Zerfall.

Viel­leicht sind es auch die Frei­räu­me, die Ber­lin mit sei­ner unglaub­li­chen Flä­che und der grund­sätz­li­chen Anders­ar­tig­keit sei­ner Stadt­tei­le gera­de jun­gen Men­schen bie­tet.
Viel­leicht ist es die Mischung aus den zwei Sor­ten von Men­schen, die das heu­ti­ge Ber­lin aus­macht: Ossis und Wes­sis. Jenen von hüben und jenen von drü­ben.
Viel­leicht ist es aber auch das bemer­kens­wer­te Ange­bot an Mög­lich­kei­ten des kul­tu­rell-künst­le­ri­schen Schaf­fens jeg­li­cher Cou­leur und nicht nur der Kon­sum eines sol­chen.
Wahr­schein­lich jedoch ist es alles zusam­men, was Ber­lin ausmacht.

Das Bil­der­buch zum Blät­tern und Nach­den­ken ist inner­halb von 8 hin­ter­ein­an­der hän­gen­den Arbeits­ta­gen ohne wirk­li­che Pau­se entstanden.

Gemacht von Gra­fik­de­sign-Schü­ler aus Karls­ru­he, aus Paris und aus St. Petersburg.

Durch­schnitts­al­ter 22 Jahre

Jun­ge Men­schen, die sich vor­her nicht kann­ten und die Ber­lin noch nie, im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes, ERLEBT haben. 

Acht tri­na­tio­na­le Teams, bestehend aus Rus­sen, Fran­zo­sen, Deutschen.

Zwei­drit­tel Frau­en. Ein­drit­tel Männer.

Zwei­drit­tel Nach­fah­ren der über­rann­ten Mäch­te, ein­drit­tel Nach­fah­ren der Aggressoren.

Ange­hen­de Gra­fik­de­si­gner des Jahr­gangs 2009 kurz vor ihrer Abschlussprüfung.

20 Jah­re nach dem Mauerfall!

Auf­ga­be: Zeigt Berlin!

8 Tage sind nicht viel! Ber­lin war groß und ist wie­der groß! Zumin­dest flächenmäßig! 

U‑Bahn, S‑Bahn, Tram, Deut­sche Bahn, Bus, Schiff, Taxe. Fuß­mär­sche und fahr­plan­mä­ßi­ge War­te­zei­ten, die Kom­ple­xi­tät der BVG und der ande­rer Fahr­plä­ne. Schwie­rig für Nicht­ber­li­ner, sehr schwer für Fran­zo­sen. Für Rus­sen, aber nur wegen der Schrift!, gewöhnungsbedürftig.

Ber­lin selbst beeindruckte!

Digi­ta­le Fotos. Im hohen vier­stel­li­gen Bereich! Allein das Sich­ten und Aus­wer­ten aller Daten braucht sei­ne Zeit! 

Dazu die vie­len, vie­len Skiz­zen­bü­cher, in die Gra­fi­ker auch zur Ent­span­nung zeich­nen. Nach 8 Tagen war Schluss! 

Was Sie nach der Druck­le­gung sehen kön­nen, ist Berlin.

In 8 Tagen. Durch­fah­ren, durch­wan­dert, durch­ge­macht. Und dann, auf die Schnel­le zusam­men­ge­bracht. Visuell.

Von ein paar Deut­schen, Rus­sen und Fran­zo­sen, die ins­ge­samt 5 Stun­den hat­ten um sich ken­nen zu ler­nen, die 8 Arbeits­ta­ge, 9 Näch­te und 5 Stun­den des Abschieds mit­ein­an­der ver­le­ben durften.

Sprach­schwie­rig­kei­ten hat es ab und an gege­ben, sonst über­haupt kei­ne! 
Zur Not wur­de gezeich­net. Oder der Unter­arm gestrei­chelt, die Schul­ter getät­schelt und mit dem Kopf genickt.

Aber sonst war alles bes­tens! Ber­lin war die Rei­se wert!

PS:

Der jähr­li­che Arbeits­aus­tausch zwi­schen unse­ren Schu­len in Karls­ru­he und Paris wird seit 18 Jah­ren, die tri­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit mit unse­rer Part­ner­schu­le in Sankt Peters­burg zum zwei­ten Mal vom Deutsch-Fran­zö­si­schen Jugend­werk als beruf­li­che Maß­nah­me mit erheb­li­chen finan­zi­el­len Mit­teln gefördert.

Bc | Fotos Bm