Trinationaler Austausch mit Gobelins, Paris,
und der Rerich-Kunstfachschule, St. Petersburg
Berlin 2009
Berlin übt in den letzten Jahren auf junge Leute aus dem In- und Ausland eine magische Anziehungskraft aus.
Auf die Frage nach dem Warum, höre ich allenthalben erstaunt: Berlin ist in! Berlin ist cool! Berlin ist megageil!
Natürlich übte das Berlin der späten 1960er und der 1970er Jahre auch auf meine Generation eine gewisse Magie aus. Als Student an der Hochschule für bildende Künste, heute UdK, konnte ich davon ein rotes Liedchen singen.
Berlin war damals die Stadt des langhaarigen Aufbegehrens gegen das Establishment und die vermoderten Moralvorstellungen einer Generation, die ihr Heil in zwei Vernichtungskriegen suchte.
Aber Berlin war auch die Stadt, die keine nächtliche Polizeistunde kannte, die 24 Stunden geöffnet hatte. Berlin konnte einem westdeutschen Provinzler wie mir sogar den Dienst an der Waffe ersparen. Berlin bot darüber hinaus auch noch die zweifelhafte Sicherheit eines antifaschistischen Schutzwalles, der den egoistischen Vorteil hatte, zumindest die Kontrollbesuche besorgter Eltern aus dem Westen stark einzuschränken.
Aber heute, wo dies alles kaum noch eine wirkliche Bedeutung für einen jungen Menschen hat, muss es doch etwas anderes sein, was eine Faszination für ausgerechnet diese Großstadt ausübt!
Vielleicht ist es das unverhoffte „Auferstanden aus Ruinen Und der Zukunft zugewandt”, das der DDR-Hymne im Nachhinein, zumindest zeilenweise, eine gar seherische Qualität verleiht.
Vielleicht ist es das gelungene Nebeneinander aus großmannssüchtiger Supermoderne mit Weltstadtflair und subkulturellen, alternativen Lebensformen im stilvoll bewahrten Zerfall.
Vielleicht sind es auch die Freiräume, die Berlin mit seiner unglaublichen Fläche und der grundsätzlichen Andersartigkeit seiner Stadtteile gerade jungen Menschen bietet.
Vielleicht ist es die Mischung aus den zwei Sorten von Menschen, die das heutige Berlin ausmacht: Ossis und Wessis. Jenen von hüben und jenen von drüben.
Vielleicht ist es aber auch das bemerkenswerte Angebot an Möglichkeiten des kulturell-künstlerischen Schaffens jeglicher Couleur und nicht nur der Konsum eines solchen.
Wahrscheinlich jedoch ist es alles zusammen, was Berlin ausmacht.
Das Bilderbuch zum Blättern und Nachdenken ist innerhalb von 8 hintereinander hängenden Arbeitstagen ohne wirkliche Pause entstanden.
Gemacht von Grafikdesign-Schüler aus Karlsruhe, aus Paris und aus St. Petersburg.
Durchschnittsalter 22 Jahre
Junge Menschen, die sich vorher nicht kannten und die Berlin noch nie, im wahrsten Sinne des Wortes, ERLEBT haben.
Acht trinationale Teams, bestehend aus Russen, Franzosen, Deutschen.
Zweidrittel Frauen. Eindrittel Männer.
Zweidrittel Nachfahren der überrannten Mächte, eindrittel Nachfahren der Aggressoren.
Angehende Grafikdesigner des Jahrgangs 2009 kurz vor ihrer Abschlussprüfung.
20 Jahre nach dem Mauerfall!
Aufgabe: Zeigt Berlin!
8 Tage sind nicht viel! Berlin war groß und ist wieder groß! Zumindest flächenmäßig!
U‑Bahn, S‑Bahn, Tram, Deutsche Bahn, Bus, Schiff, Taxe. Fußmärsche und fahrplanmäßige Wartezeiten, die Komplexität der BVG und der anderer Fahrpläne. Schwierig für Nichtberliner, sehr schwer für Franzosen. Für Russen, aber nur wegen der Schrift!, gewöhnungsbedürftig.
Berlin selbst beeindruckte!
Digitale Fotos. Im hohen vierstelligen Bereich! Allein das Sichten und Auswerten aller Daten braucht seine Zeit!
Dazu die vielen, vielen Skizzenbücher, in die Grafiker auch zur Entspannung zeichnen. Nach 8 Tagen war Schluss!
Was Sie nach der Drucklegung sehen können, ist Berlin.
In 8 Tagen. Durchfahren, durchwandert, durchgemacht. Und dann, auf die Schnelle zusammengebracht. Visuell.
Von ein paar Deutschen, Russen und Franzosen, die insgesamt 5 Stunden hatten um sich kennen zu lernen, die 8 Arbeitstage, 9 Nächte und 5 Stunden des Abschieds miteinander verleben durften.
Sprachschwierigkeiten hat es ab und an gegeben, sonst überhaupt keine!
Zur Not wurde gezeichnet. Oder der Unterarm gestreichelt, die Schulter getätschelt und mit dem Kopf genickt.
Aber sonst war alles bestens! Berlin war die Reise wert!
PS:
Der jährliche Arbeitsaustausch zwischen unseren Schulen in Karlsruhe und Paris wird seit 18 Jahren, die trinationale Zusammenarbeit mit unserer Partnerschule in Sankt Petersburg zum zweiten Mal vom Deutsch-Französischen Jugendwerk als berufliche Maßnahme mit erheblichen finanziellen Mitteln gefördert.
Bc | Fotos Bm